Die unterschätzte Bedeutung der Digitalisierungsstrategie

Es klingt so offensichtlich, wie ein ausgelutschtes Mantra, das typische „Berater-Blabla“: Ohne Digitalisierungsstrategie kein Digitalisierungserfolg. Und doch wird vielerorts nicht verstanden, was hinter dem abstrakten Gegenstand „Digitalisierungsstrategie“ überhaupt steckt und deren Relevanz deshalb häufig nicht erkannt. Ein Fehler.

Die neue Studie „Digitalisierung 2020“, die wir gemeinsam mit den Kolleg:innen von Staufen veröffentlicht haben, zeigt, dass erfolgreiche Digitalisierer die Corona-Pandemie bisher besser überstanden haben. Sie geben an, durch die Digitalisierung entscheidungsfähiger und flexibler zu bleiben und setzen ihre Digitalisierungsprojekte zu einem Großteil wie geplant fort. Doch was meint „erfolgreiche Digitalisierer“? Das Studiendesign versteht darunter Unternehmen mit einer Digitalisierungsstrategie. Wieso haben wir uns für die Annahme dieses Kausalzusammenhangs entschieden?

Strategie ist ein – zugegebenermaßen - etwas nebulöser Begriff, den man, vor allem in Bezug auf Umfang und Konkretheit, sehr unterschiedlich auslegen kann. Doch bricht man es auf eine Kernidee herunter, so ist die Quintessenz der Strategie, dass sie der Unternehmensführung zeigt, wie ein mittel- oder langfristiges Unternehmensziel erreicht werden soll. Und das ist – in unserer Erfahrung – der entscheidende Faktor, gerade in Bezug auf die Digitalisierung: Die bereichsübergreifende Einbeziehung des oberen Managements. Diesem müssen die Hebel der Digitalisierung bewusst sein, eine Einigung auf das „Was“ und „Warum“ muss vorliegen und die benötigten Ressourcen müssen klar im Budget für die nächsten Jahre eingeplant und abgestimmt werden. Es geht also auf der einen Seite um inhaltliche Leitlinien. Aber vor allem auch um Abstimmung und ein gemeinsames Vorgehen.

In meinem Beratungsalltag habe ich schon unterschiedlichste Herangehensweisen an Digitalisierung kennengelernt. Es zeigt sich deutlich: Immer, wenn beim oberen Management keine einheitliche Klarheit über die Sinnhaftigkeit und Ziele der Digitalisierung besteht, wird die Initiative unnötig kompliziert oder scheitert gar. Ambitionierte Insellösungen versinken dann im Geflecht aus Zuständigkeiten, Jahresplänen und Eitelkeiten.

Nehmen wir das Beispiel des OpEx Managers X. Überzeugt von den Versprechungen der Digitalisierung hat er sich in seinem Arbeitsbereich eigenständig eine Lösung zur papierlosen Bereitstellung von Arbeitsdokumenten „gebastelt“. Sie liefert vielversprechende Ergebnisse für den Arbeitsbereich – auf Konzernebene ist der Erfolg jedoch noch nicht sichtbar. Sein COO möchte dies gerne ändern und die Lösung auf weitere Bereiche ausrollen. Schnell bekommt er jedoch Gegenwind aus der IT-Abteilung: Für einen unternehmensweiten Roll-out wäre ein 24-Stunden-Support für die Rechner auf dem Shopfloor notwendig. Unmöglich für eine IT-Abteilung, in der nur von 9 bis 17 Uhr gearbeitet wird. Ob sich das nicht ändern ließe? Nein. Denn über die IT-Abteilung hat nicht der digitalisierungsfreudige COO das Sagen, sondern der zahlengetriebene CFO. Und der hält rein gar nichts von Industrie 4.0. Letztlich stirbt das Projekt in Gänze, da der Sprung auf die Unternehmensebene nicht gelingt.

So hätte es nicht kommen müssen: Testprojekte sollten koordiniert unter Einbeziehung des Management-Kreises ablaufen. Im Falle des OpEX Managers X hätte man sich z.B. im Vorfeld darauf einigen können, die Einführung eines MES oder einer IoT Plattform zu evaluieren, wenn erste Tests in verschiedenen Anwendungsbereichen Früchte tragen. Dass es zu einer solchen Abstimmung im Vorfeld nicht kam, kann als Misserfolgsfaktor für diese Initiative gesehen werden.

Wie macht man es besser und kommt zu einer abgestimmten Digitalisierungsstrategie?
Klar ist, dass nur jener Ziele begreifen kann, der auch versteht, was mögliche Ziele sein können. Deshalb muss zunächst mal Digitalisierungs-Know-How aufgebaut werden. Denn dieses – so zeigt es auch unsere Studie – ist immer noch bei vielen Führungskräften nicht ausreichend vorhanden.

Mit immer mehr Kunden führen wir deshalb zu Beginn der Digitalen Transformation ein Qualifizierungs- und Abstimmungsprogramm mit dem obersten Management durch. Dieses funktioniert auch in Zeiten des Abstandhaltens, rein online und daher standortübergreifend. Dabei fangen wir ganz von vorne an, indem wir bei allen Teilnehmer:innen das gleiche Verständnis von Begrifflichkeiten aus dem Digitalisierungsumfeld herstellen. Danach werden verschiedene Use Cases hinsichtlich ihrer Relevanz fürs eigene Unternehmen bewertet. Brauchen wir Fahrerlose Transportsysteme? Wie sieht es mit einem Andon Escalation Management System aus? Über den Workshop hinweg entwickeln wir somit eine klare Zielvorstellung und erste Eckpunkte für einen erfolgreichen Start in die Digitale Transformation.

Kunden wie Danfoss profitieren stark von dieser anfänglichen Zieldefinition auf oberster Ebene. Es kommt dadurch zu viel weniger Diskussionen und Komplikationen im eigentlichen Transformationsprozess.

Also. Lieber Werkleiter: Betreiben Sie Digitalisierung nicht als „U-Boot-Projekt“ in der Fachabteilung. Beziehen Sie von vorne herein das oberste Management mit ein und entwickeln Sie gemeinsam eine klare Zielvorstellung. Lieber CEO: Delegieren Sie Digitalisierung nicht an die Fachabteilungen. Kommen Sie von Anfang an mit an Bord.
Das mag banal klingen, ist aber ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor.