Was ist eine Smart Factory?
Ihr Autor & Branchenexperte
Der Begriff Smart Factory beschreibt das Konzept der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von produzierenden Unternehmen durch die Nutzung und Integration digitaler Technologien mit IT, Prozessen und Menschen. Der Begriff wird oftmals im Kontext eines digitalisierten Shopfloors oder einer intelligenten Weiterentwicklung des LEAN-Produktionssystems genutzt. In einer Smart Factory sammeln alle Systeme, Maschinen & Prozesse mit Hilfe von Sensoren Daten, werten diese aus und vernetzen sie untereinander in der Produktion.
Durch Verbindung der physischen mit der digitalen Welt in Form von Datenmodellen wird es möglich, nicht nur den kompletten Shopfloor und den gesamten Produktionsprozess, sondern auch die komplette vernetzte Supply Chain zu planen, zu steuern und zu überwachen, so dass die gestiegene Komplexität, die Unternehmen zum Beispiel durch wachsende Kundenansprüche handhaben müssen, beherrschbar wird.
Die verarbeiteten Daten können genutzt werden, um die Effizienz der direkten und indirekten Wertschöpfungsprozesse durch Automatisierung, Assistenzsysteme oder durch Menschen in Echtzeit zu steigern. Eine Smart Factory macht die Produktion und Supply Chain flexibel, anpassbar und optimierbar, damit Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Kosten- oder Differenzierungsmerkmale nachhaltig sichern können. Doch was bedeutet der Begriff Smart Factory genau? Was sind Beispiele für Smart Factories? Und welche Trends und Technologien finden in der Smart Factory Anwendung?
Erklärung: Smart Factory
Die Smart Factory beschreibt eine Weiterentwicklung der klassischen schlanken Produktion (Lean Production) inklusive erster Automatisierungsschritte hin zu einer vollständig transparenten, vernetzten und flexiblen Produktion und Supply Chain. Durch Nutzung der erhobenen Daten aus den Operations kann die Smart Factory konstant und in Echtzeit verbessert und auf neue Bedarfe angepasst werden oder sich sogar, unter Einsatz künstlicher Intelligenz, selbst verbessern und anpassen.
Die Vernetzung der Wertströme ist durch die durchgängige Digitalisierung von Produkt- Stamm- und Prozessdaten möglich. Diese Digitalisierung wird in der sog. vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0) beschrieben.
Durch die Digitalisierung werden physische und digitale Prozesse mit Hilfe von Informationstechnologie (IT) und Operationstechnologie (OT) verbunden und so einfach multiplizierbar und auswertbar. Das bedeutet, dass Daten aus der Produktion und der Supply Chain von Unternehmen in Echtzeit überall verfügbar werden, Erkenntnisse durch menschliche oder künstliche Intelligenz ermöglichen und so für Planung und Optimierung der Produktion verwendet werden können.
Somit kann Verschwendung, z.B. in Form von Stillstandszeiten oder Ausschuss vermieden werden, damit die Produktion noch effizienter wird und ein höheres Produktivitätslevel erreicht. Dies ist besonders vor dem Hintergrund wachsender Kundenansprüche relevant, die sich z.B. in Form von Wünschen nach Individualisierung und kurzen Lieferzeiten äußern.
In einer Smart Factory sind unterschiedliche Automatisierungsgrade möglich. So ist eine Smart Factory nicht automatisch eine Dark Factory, in der kein Licht benötigt wird, weil keine Menschen dort arbeiten und alle Aufgaben von Robotern (wie z.B. intelligenten, fahrerlosen Transportsystemen) übernommen werden. In der optimalen Smart Factory wird der Mensch durch Technologie bestmöglich in seiner Arbeit unterstützt. Zudem übernimmt der Mensch zentrale Wartungs- und Steuerungsaufgaben in der neu gestalteten Fabrik und bleibt somit auch in Zukunft deren Dreh- und Angelpunkt.
Aufgrund der möglichen weltweiten Verfügbarkeit der relevanten Daten können die Erkenntnisse nicht nur in einer Fabrik, sondern auch in dem globalen Produktionsnetzwerk verwendet werden. Somit können alle Werke eines Unternehmens von den Effizienzgewinnen anderer Standorte profitieren.
Eigenschaften einer Smart Factory
Die Smart Factory ist
- flexibel und agil
- kollaborativ
- kundenorientiert
- selbststeuernd
- effizient
- vernetzt
- lernend
Durch die intelligente Anwendung von Technologien, Prozessen, IT und den Menschen ist die Smart Factory flexibel und agil, kann also schnell auf Änderungen zum Beispiel der Kundenbedarfe reagieren oder sich proaktiv verändern.
Da in der Smart Factory Maschinen mit Maschinen und Maschinen mit Menschen zusammenarbeiten, ist die Smart Factory kollaborativ. Dies wird zum Beispiel durch Assistenzsysteme deutlich, bei denen Menschen durch Maschinen beispielsweise in Augmented Reality kontextbezogen unterstützt werden.
Die Smart Factory ist kundenorientiert ausgerichtet und könnte so für Losgröße 1 fertigen. Das bedeutet, dass Massenindividualisierung möglich ist, individuelle Produkte gefertigt und zum Preis eines Großserienproduktes angeboten werden können, wenn dies benötigt wird.
Eine Smart Factory ist in der Lage, sich selbst dezentral zu steuern. Das bedeutet, dass einzelne Systeme in der Fabrik auf der Basis von Datenanalysen und -modellierungen selbst Entscheidungen treffen können.
In der Smart Factory sind Produktion und Logistik durch die Vermeidung von allen Arten von Verschwendungen äußerst effizient. Während in der Produktion zum Beispiel Verschwendungen in Form von Überproduktion, Warte- oder Suchzeiten reduziert werden, ist die Logistik und der Auftragsabwicklungsprozess durch End-to-End Datenverknüpfung, Automatisierung und Echtzeittransparenz hocheffizient.
Die Smart Factory ist vernetzt: Das bedeutet, dass die Prozesse vertikal und horizontal vernetzt sind und so optimal ausgewertet, gesteuert und verbessert werden können. Durch die horizontale Verknüpfung zwischen Werkstück, Prozess, & Werker werden die funktionalen Silos aufgelöst. Die Wertstromorientierung wird nicht nur im Materialfluss sondern auch im Informationsfluss abgebildet. Die vertikale Vernetzung meint, dass die die Daten zwischen den unterschiedlichen Unternehmens-IT Ebenen direkt verknüpft werden und nicht mehr „Layer für Layer“ zeitaufwendig durchgereicht werden müssen.
Durch die Erfassung und (automatisierte) Auswertung von digitalen Daten ist die Smart Factory lernend und verbessert sich selbst. Das bedeutet, dass zum Beispiel Gründe für Ineffizienzen oder Fehlerursachen ermittelt und in Zukunft vermieden werden. Die Smart Factory wird also immer effizienter.
Smart Factory Technologien
In einer Smart Factory finden, je nach Reifegrad und angestrebten Zielen, unterschiedliche Technologien Anwendung. Diese Technologien sind vor allem als „Enabler“, also als Ermöglicher zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen in einer Smart Factory zu verstehen. Eine grundlegende IT (Informationstechnologie) und OT (Operational Technology) ist in der Smart Factory aber immer notwendig.
Ein zentraler Bestandteil sind Sensoren, um Daten zur Auslastung, dem Output und dem Zustand von Maschinen und Werkzeugen zu erfassen. Auf Basis dieser Daten können Informationen und Erkenntnisse gewonnen werden.
Das IIOT (Industrial Internet of Things) kann genutzt werden, um die gewonnenen Daten über das Internet, zum Beispiel in einer IIOT-Plattform, überall für Menschen und Maschinen transparent zu machen. Diese Daten können in Echtzeit oder anschließend genutzt werden, um den Produktionsprozess effizienter zu gestalten.
Mit Cloud Computing können die gewonnenen Daten kostengünstig gespeichert, geteilt und ausgewertet werden. Cloudlösungen können kostengünstiger und zuverlässiger als klassische On-Premise Lösungen sein und sind oft einfacher skalierbar.
Big Data Analytics erlaubt die Auswertung einer großen Menge gewonnener Daten, um darin Muster zu erkennen, die für die Optimierung der Produktion genutzt werden können. So können zum Beispiel Aussagen über Wartungsintervalle (Predictive Maintenance) gewonnen werden.
Mit Hilfe von KI (Künstlicher Intelligenz) und Machine Learning können sich Kernprozesse von Smart Factories und Supply Chains selbst optimieren und Entscheidungen treffen, die normalerweise durch Menschen gefällt werden.
VR (Virtual Reality) kann eingesetzt werden, um neue Fabriken zu planen und zu testen, oder um bestehende Maschinen über das Internet aus der Distanz zu warten. So können in der Planung Kosten sowie Planungsrisiken gesenkt werden und die Planungsdauer drastisch reduziert werden. In der Wartung wird nicht länger ein Spezialist für eine bestimmte Maschine oder Technologie vor Ort in einer Fabrik benötigt.
AR (Augmented Reality) verbindet die physische mit der digitalen Welt optisch und kann zum Beispiel genutzt werden, um Informationen zu verbauten Teilen in einer AR-Brille grafisch darzustellen. So können Mitarbeiter unterstützt werden, in dem zum Beispiel die korrekten Anzugsmomente in AR dargestellt werden, während sie ein Teil verschrauben.
Smart Factory Trends 2021
Durch rapide Entwicklungen in der IT ergeben sich viele neue Trends rund um die Smart Factory, so dass diese nie als bestehendes, nicht wandelbares Konstrukt verstanden werden sollte. Außerdem ist der Einzug vieler der oben genannten Technologien als Trend für das Jahr 2021 zu verstehen.
Neben diesen Technologien gibt es einige weitere Smart Factory Trends:
Um Maschinenstillstände und -ausfälle zu minimieren, wird Predictive Maintenance für viele Unternehmen relevanter. Erkenntnisse aus der Auswertung einer Maschine können in der gleichen oder einer anderen Fabrik genutzt werden, um die Verschwendung durch Maschinenausfälle zu senken und somit die Effizienz der Fertigung zu erhöhen.
Menschen bleiben in der Smart Factory aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten ein Wettbewerbsfaktor. Um die Effizienz aller Aufgaben, die von Menschen erledigt werden, zu steigern, wird die Ergonomie von Arbeitsplätzen und Prozessen immer wichtiger. Zur Optimierung können kamerabasierte Tools genutzt werden, welche die Bewegungen von Menschen auswerten.
Mit Einzug des 5G Mobilfunkstandards und der entsprechenden Up- und Downloadgeschwindigkeit sind neue Anwendungsfälle für das IIOT denkbar, da hohe Datenmengen innerhalb von geringer Zeit auch mobil transferiert werden können. So ist es denkbar, selbst aufwändigere Rechenleistungen, die bisher aufgrund der benötigten geringen Latenzzeit vor Ort erbracht werden mussten, bei gleichem Zuverlässigkeitslevel auszulagern.
Mit Anwendungen, die aufgrund besonders hoher Datenmengen oder besonders kurzer benötigter Latenzzeiten nicht in der Cloud abgebildet werden können, wie zum Beispiel bei kamerabasierten Auswertungen, bleibt Edge Computing ein relevanter Trend. Edge Computing beschreibt die Verarbeitung von Daten möglichst direkt an deren Quelle. So können Maschinen und Werkzeuge mit Computern ausgestattet werden, die die erhobenen Daten direkt verarbeiten. Diese verarbeiteten Daten können anschließend in die Cloud hochgeladen werden.
Aufgrund der geschilderten technologischen Möglichkeiten wird sich der Trend zur Massen-Individualisierung (Mass Customisation) weiter fortsetzen, da Unternehmen auf entsprechende Kundenbedürfnisse reagieren müssen, um Ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
RPA (Robotic Process Automation) beschreibt ‚Softwareroboter‘, also Computerprogramme, mit denen komplexere Geschäftsprozesse mit mehreren Datenquellen und anderen Softwareprogrammen automatisiert werden können. Ein Beispiel dafür könnte eine Software sein, die Rechnungen auf Basis von Daten aus mehreren anderen Anwendungen ohne Schnittstellen schreibt. Process Mining, also die automatische Erfassung von Prozessen zu deren Optimierung, muss im Kontext von RPA betrachtet werden, da es zur Identifizierung der durch RPA automatisierten Prozesse genutzt werden kann.
Smart Factory Transformation
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